
1. Allgemeines
Die Achillessehne (AS) ist die stärkste, dickste und größte Sehne im menschlichen Körper. Sie verbindet die beiden Muskeln der Waden, M. Gastrocnemius und M. Soleus, mit der Ferse. Sie gilt aufgrund ihrer Länge und Lage als eine der am häufigsten verletzten Sehnen im menschlichen Körper.
Der Riss der Achillessehne tritt meist während sportlicher Aktivität auf und betrifft hauptsächlich Männer mittleren Alters (30-50). Dabei handelt es sich häufig um untrainierte Freizeitsportler, sogenannte “Weekend- Warriors.” (Tarantino et al. 2020)
Außerdem lässt sich eine zweite Populationsspitze der Verletzung bei Männern über 60 Jahren beobachten. Verletzungen der Sehne durch hohe Krafteinwirkung (z.B. Sprung- oder Sprintsportarten mit abrupten Richtungswechseln) sind meist verantwortlich für die erste Gruppe der Betroffenen, wohingegen degenerative (abbauende, altersbedingte) Rupturen eher typisch für die zweite Gruppe sind (Park et al. 2020).
Die Inzidenz ist in letzter Zeit stark steigend, was auf die steigende Anzahl an Sportarten und daran teilnehmende Sportler zurückzuführen ist.
Ein Achillessehnenriss sorgt für eine Langzeitrehabilitation. Viele Patienten klagen im Anschluss über einen Abfall ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit und es fällt häufig schwer, das alte Leistungsniveau wieder zu erreichen (Tarantino et al. 2020).
2. Wie ist der Mechanismus der Verletzung?
Ein akuter Achillessehnenriss ereignet sich meist 2-6 cm oberhalb des Übergangs der Sehne zum Fersenknochen, was auf eine schlechte Durchblutung der Sehne an dieser Stelle zurückzuführen ist. Es gibt für die Verletzung üblicherweise keine warnenden Symptome und Teilrisse ereignen sich so gut wie nie.
Achillessehnenrisse werden am häufigsten durch einzeln auftretende, hohe Lasten verursacht (z.B. durch plötzliche oder gezwungene Dorsalextension des Sprunggelenkes). Des Weiteren wird in über 90% der Fälle über eine bremsende und/oder beschleunigende Bewegung berichtet. (Tarantino et al. 2020)
3. Wie wird ein Achillessehnenriss festgestellt?
Patienten beschreiben häufig das Gefühl eines Schlages auf der Beinrückseite. Nicht selten kommt es zu einem deutlich hörbaren Geräusch, welches sich wie ein Peitschenschlag anhört. Betroffene sind häufig noch in der Lage zu gehen, da der Körper dies über andere, verbleibende Muskulatur kompensieren kann. Des Weiteren spielt Schmerz oft nur eine untergeordnete Rolle.
In der Diagnostik wird oft die sogenannte Simmons Triade verwendet. Diese besteht aus drei vorliegenden Veränderungen:
Die Simmons-Triade stellt die meisten Rupturen fest, was ein bildgebendes Verfahren selten nötig macht. (Singh 2015)
3. Muss man einen Achillessehnenriss operieren?
OP oder Konservative Therapie? Was wirklich wichtig ist!
Bei sportlich aktiven und gesunden Menschen wurde bisher die operative Methode empfohlen, allerdings zieht die Operation in 10-15% Komplikationen nach sich (Meulenkamp et al., 2021).
Aufgrund operativer Komplikationen gibt es seit geraumer Zeit auch einen konservativen Therapieansatz. Allerdings schien laut früherer Studien die Re-Rupturrate der Achillessehne gegenüber der operativen Methode erhöht.
Jüngste Studien widerlegen diese Theorie jedoch. In diesen Studien sank das Re-Rupturrisiko durch eine frühfunktionelle Rehabilitation im Vergleich zu einer Ruhigstellung im Gips. Des Weiteren waren funktionelle Ergebnisse konservativ therapierter Patienten vergleichbar gut zu operativ versorgten Patienten.
Die Hauptrolle zur Entscheidungsfindung einer konservativen oder operativen Methode stellt der Patient und dessen Anforderungen an die Achillessehne dar. Man sollte zwischen einer akuten Ruptur der Sehne und einer degenerativen Ruptur der Sehne unterscheiden, da sich letztere anfälliger für erneute Rupturen zeigen. Des Weiteren ist die Bereitschaft zur Rehabilitation und Kooperationsfähigkeit des betroffenen Patienten als einer der wichtigsten Faktoren für einen positiven Therapieerfolg bekannt (Park et al. 2020).
Hinzu kommt, dass patientenbezogene Faktoren (wie z.B. BMI, Ernährungsstatus, Nebenerkrankungen oder athletischer Status), sowie die Verletzungshistorie (z.B. Zeitpunkt des Arztbesuches, Verletzungsmechanismus oder der Abstand der Sehnenenden zueinander) einen möglichen Einfluss auf die Rehabilitation und das Behandlungsergebnis haben. (Tarantino et al. 2020)
Aufgrund der unterschiedlichen Population an Menschen, die einen Achillessehnenriss erleiden, ist es schwer für die medizinische Forschung sich auf ein allgemeingültiges Schema der Rehabilitation festzulegen. Am empfehlenswertesten scheint aktuell das Swansea Morrison Achilles Rupture Treatment (SMART) Programm von Hutchison et al. aus dem Jahr 2015.
Im beschriebenen Protokoll werden Empfehlungen für Vorgehen in operativer und konservativer Therapie gegeben. Das Programm weist dabei eine sehr geringe Re-Rupturrate (1,1%) auf und das funktionelle Ergebnis stellt sich als zufriedenstellend dar (Hutchison et al. 2015).
Die Entscheidungsfindung: OP oder konservativ?
Die Hauptkomplikationen des Achillessehnenrisses sind Re-Rupturen und das Zusammenheilen der Sehne in einer nicht korrekten Länge.
Die beiden Komplikationen sind abhängig von:
Die Autoren des SMART- Protokolls empfehlen eine operative Therapie nur für Patienten, die folgende Kriterien erfüllen:
Für alle weiteren Patienten wird eine konservative Therapie empfohlen. (Hutchison et al. 2015)
Was muss bei operativer Therapie beachtet werden?
Für die operative Therapiemethode sind in der Literatur diverse Methoden beschrieben. Diese lassen sich grob in offene, minimalinvasive oder perkutane Rekonstruktion der Sehne unterscheiden. Während für die offene Methode gute klinische Ergebnisse beschrieben werden, birgt sie auch das größte Risiko an Wundinfektionen. Allerdings scheinen sich die drei Kategorien in Sachen Komplikationsrate kaum zu unterscheiden (Park et al. 2020).
Eine postoperative frühfunktionelle Rehabilitation mit frühstmöglicher Vollbelastung sowie Mobilitätsübungen für das Sprunggelenk liefert bessere Ergebnisse als vorsichtige Herangehensweisen. Für die ersten 6-8 Wochen post OP wird zum Tragen einer Orthese geraten, die zu den Mobilisationsübungen des Sprunggelenks abgenommen werden darf. Während dieser Phase soll der Patient bestmöglich eine Hyperdorsalextension (zu weites Hochziehen der Fußzehen vermeiden. (Park et al. 2020)
Ziel der ersten 10 Wochen ist es, der Sehne Zeit zur Heilung in optimaler Position und Länge zu geben. Hierfür wird sowohl totale Entlastung, Teil- oder Vollbelastung als auch die Immobilisation wie folgt beschrieben:
5. Was muss bei konservativer Therapie beachtet werden? Gibt es einen roten Faden?
Vergleichbar zur operativen Therapie sieht der Immobilisationsplan bei konservativer Therapie wie folgt aus:
6. Rehabilitationsleitlinie für operativ und konservativ versorgte Patienten nach Immobilisation:
7. Wie kann beurteilt werden, ob die Rehabilitation erfolgreich war?
Die Outcome-Messungen kann man sowohl in objektive Messungen als auch in Patientenberichte unterteilen. Spennacchio et al. erstellten 2016 folgende Übersicht, die es Medizinern ermöglicht, die Ergebnisse einer Rehabilitation nach Achillessehnenriss vergleichbar zu machen. (Spennacchio et al. 2016)
Dehnfähigkeit der Achillessehne:
Bedingt durch die Ruhigstellung des Sprunggelenks und damit auch der Sehnen-Muskel-Einheit ist eine verminderte Dehnfähigkeit der Achillessehne nach einem Achillessehnenriss eine häufige Komplikation der Rehabilitation. Mögliche Folgen daraus können sowohl Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenks, Kraftdefizite als auch Einschränkungen im Gangbild sein. In der Rehabilitation sollte möglichst auf das Bewegungsausmaß des nicht verletzten Fußes abgezielt werden.
Die Kraft der Wadenmuskulatur nach einem Achillessehnenriss ist allermeistens signifikant reduziert. Die Mehrheit der Betroffenen weist eine permanente Schwäche der Wadenmuskulatur von bis zu 30% im Vergleich zur nicht verletzten Seite auf.
Um verloren gegangene Kraft bestmöglich wiederherstellen zu können, macht es laut Nunes et al. (2020) Sinn die Wadenmuskulatur in verschiedenen Fußpositionen während des Wadenhebens zu trainieren. Es wird empfohlen, dass die Zehenspitzen nach innen, außen und nach vorne zeigen sollten.
Hier ist ein einfacher Test, wie du deine Wadenkraft mit Personen deiner Altersgruppe vergleichen kannst. Hébert- Losier et a. (2017) erstellten folgende Tabelle, die die Wiederholungszahl des Wadenhebens eines gesunden Menschen in Relation setzt.
Normwerte für einbeiniges stehendes Wadenheben eines gesunden Erwachsenen:
Ausdauer der Wadenmuskulatur:
Neben der Kraft stellt die Ausdauer einen weiteren Parameter zur Evaluation der Funktionalität der Wadenmuskulatur dar. Hierfür wird die maximale Wiederholungsanzahl während des stehenden Wadenhebens gezählt und mit der nicht verletzten Seite verglichen (siehe Test oben). Dabei darf sich der Klient mit den Fingerspitzen einen koordinativen Support leisten. Wichtig ist, dass jede einzelne Wiederholung in vollem Bewegungsausmaß erfolgt.
Nach einem Achillessehnenriss gibt es häufig Einschränkungen in der Ausdauer und im Bewegungsausmaß während des Wadenhebens. (Spennacchio et al. 2016)
Eine Wiederherstellung des vollen Bewegungsausmaßes scheint zudem für die volle Funktionalität des Sprunggelenks auf lange Sicht sehr wichtig zu sein. (Brorsson et al. 2017)
8. Zusammenfassung
Zunächst sollte in der Nachsorge eines Achillessehnenrisses differenziert werden, ob es sich um einen traumatischen oder degenerativen Riss handelt. Die Ruptur einer gesunden Sehne kann sowohl konservativ als auch operativ erfolgen. Entscheidend für das Therapieergebnis ist vor allem eine frühfunktionelle Therapie, nicht nur die Entscheidung, ob die Ruptur konservativ oder operativ versorgt wird. Die Bereitschaft des Patienten zur Rehabilitation (Compliance) sollte zur Entscheidungsfindung der Therapieoptionen hinzugezogen werden. (Park et al. 2020)
Eine aktuelle Vergleichsarbeit von Seow et al. kommt zu dem Ergebnis, dass keine Therapieoption der anderen deutlich überlegen ist und empfiehlt eine gemeinsame Entscheidungsfindung des Arztes und des Patienten. Allerdings wird auch hier dringend zu einer frühfunktionellen Rehabilitation geraten. (Seow et al. 2021)
Außerdem ist es aus unserer Sicht unbedingt notwendig, in der Endphase der Reha sportartspezifische Bewegungen und Belastungen zu fördern, dass Du für Dein Ziel, zu Deinem persönlichen Sport zurückzukehren, optimal vorbereitet bist.
Hier ein paar Übungsbeispiele für die verschiedenen Reha-Phasen:
Early Stage
Mid Stage
Late Stage
Wir unterstützen dich gerne bei Fragen oder bei der Gestaltung deiner Rehabilitation inklusive einem geeigneten Trainingsplan, Vorgaben zur individuell angepassten Belastungssteuerung und sinnvollen Übungen.
Komm einfach auf uns zu, wenn du mehr dazu wissen willst bzw. Hilfe benötigst.
Dein Physioteam aus der Karlsruher Oststadt
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Brorsson, A., Willy, R. W., Tranberg, R., & Grävare Silbernagel, K. (2017). Heel-Rise Height Deficit 1 Year After Achilles Tendon Rupture Relates to Changes in Ankle Biomechanics 6 Years After Injury. The American Journal of Sports Medicine, 45(13), 3060–3068. https://doi.org/10.1177/0363546517717698
Daniels, L. K. (1976). Rapid in-office and in-vivo desensitization of an injection phobia utilizing hypnosis. The American Journal of Clinical Hypnosis, 18(3), 200–203. https://doi.org/10.1080/00029157.1976.10403798
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