Wann & wie taut die Frozen Shoulder wieder auf?

Die Frozen Shoulder ist die häufigste Ursache für Schmerzen im Schultergelenk bei Menschen im mittleren und höheren Alter (Nakandala et al., 2021). Im Folgenden wird auf das Krankheitsbild genauer eingegangen.

  1. Was ist eine Frozen Shoulder und wie entsteht sie?
  2. Wer leidet darunter und welche Auswirkungen hat es?
  3. Einteilung der Frozen Shoulder 
  4. Wie wird eine Frozen Shoulder diagnostiziert?
  5. Wie behandelt man die Frozen Shoulder?
  6. Was ist für dich wichtig?
  7. Take-Home-Massage

1. Was ist eine Frozen Shoulder und wie entsteht sie?

Die Frozen Shoulder wird auch adhäsive Kapsulitis genannt, die Gelenkkapsel der Schulter zieht sich zunehmend zusammen und verdickt. Diese Kapselveränderungen beruhen auf einer Entzündung unbekannten Ursprunges, wodurch es zur vermehrten Bildung von Fibroblasten (Bindegewebszellen) kommt (Katthagen et al., 2012). Diese Veränderungen gehen einher mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Schulter. Die Länge des Krankheitsverlaufs ist sehr variabel. Einige Untersuchungen zeigen, dass sich Patienten mit Frozen Shoulder innerhalb von mehreren Monaten bis drei Jahren auf natürliche Weise erholen können, während andere berichten, dass die Einschränkungen sogar bis zu sieben Jahre andauern können (Nakandala et al., 2021, Cho et al., 2019). 

2. Wer leidet darunter und welche Auswirkungen hat es?

Die Frozen Shoulder kommt in der Allgemeinbevölkerung schätzungsweise zu 2-3% vor und betrifft häufiger die Altersgruppe der 40-70- Jährigen. Die genaue Ursache ist nicht bekannt, es wird angenommen, dass die nicht-dominante Hand und Frauen häufiger betroffen sind. Innerhalb von 5 Jahren nach der ersten Episode tritt bei 17% der Patienten die Erkrankung auf der kontralateralen (anderen) Seite auf. In 14% der Fälle können beide Schultern gleichzeitig betroffen sein. Eine erneute Erkrankung derselben Schulter ist selten (Nakandala et al., 2021). 


3. Einteilung der Frozen Shoulder 

Man teilt die Frozen Shoulder zum einen in den primären und sekundären Typ ein und zum anderen nach ihrer Entwicklung in vier Phasen. Die primäre Frozen Shoulder wird zum Teil auch idiopatische genannt. Kennzeichen sind ein langsames Auftreten von Schmerzen und Steifigkeit ohne spezifische Ursache. Die sekundäre dagegen wird durch verschiedene Risikofaktoren wie beispielsweise Diabetes mellitus, Schilddrüsenfehlfunktionen, Kalkablagerungen, Sehnenerkrankungen oder Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule verursacht.

Nach der Entwicklung des Krankheitsverlaufes wird die Frozen Shoulder in vier Stadien eingeteilt. Aus dem Englischen übersetzt heißt das erste Entzündungs-, das zweite Erfrierungs-, das dritte Gefrier- und das vierte Auftaustadium. Stadium eins ist charakterisiert durch scharfe, akute Schmerzen bei Bewegung, aber auch in Ruhe und nachts. Der Schmerz steht im Vordergrund und lässt die Patienten häufig nachts kaum schlafen. Das Stadium dauert etwa drei Monate. In Stadium zwei kommen zunehmend Bewegungseinschränkungen bei Schulterbewegungen nach vorne, zur Seite und in die Rotation dazu. Nachtschmerzen können noch immer vorhanden sein. Die Länge des Stadiums variiert von drei bis neun Monaten. Stadium drei, das Gefrierstadium, ist gekennzeichnet durch zunehmende Bewegungseinschränkungen und nach wie vor Schmerzen am Ende der Bewegung. Im Stadium vier, der Auftauphase, geht es den Patienten nach und nach besser. Die Beweglichkeit erhöht sich und die Schmerzen werden geringer (Nakandala et al., 2021).

4. Wie wird eine Frozen Shoulder diagnostiziert?

Zu Beginn der Erkrankung ist es für medizinisches Personal oft schwer die Frozen Shoulder zu erkennen und Fehldiagnosen können vorkommen. Daher ist ein ausführliches Gespräch neben der Bildgebung essenziell. Bei bereits veränderter Kapsel, kann die Verdickung dieser und der umliegenden Bänder auch im MRT sichtbar werden (Katthagen et al., 2012). 

Für die physiotherapeutische Diagnostik wurde in den Niederlanden von Vermeulen et al. (2017) eine Leitlinie für Physiotherapeuten erstellt. Im Anschluss an das Gespräch wird eine physiotherapeutische Untersuchung durchgeführt. Sie umfasst die Inspektion, Palpation (tasten), Beweglichkeits- und Funktionsmessung (Vermeulen et al. 2017).

5. Wie behandelt man die Frozen Shoulder?

Wie bereits in Punkt eins beschrieben ist die Frozen Shoulder eine „self-limiting disease“, das heißt sie hat eine natürliche Dauer von meist ein bis drei Jahren, manchmal länger. Es bleiben zum Teil milde Restbeschwerden bestehen (Vermeulen et al. 2017). Für die Behandlung bedeutet das, es gibt keine genaue Behandlungsmethode die den Verlauf aufhält, lediglich solche die ihn begleiten und positiv beeinflussen. Es wurden zahlreiche Untersuchungen zur Wirksamkeit verschiedener operativer und nicht-operativer Behandlungsmethoden durchgeführt. Zu den nicht-operativen Methoden gehören Kortikosteroidinjektionen (Kortisonspritzen), orale Medikamente, Elektrotherapie und physiotherapeutische Maßnahmen wie Dehnungsübungen und Gelenkmobilisation. Es besteht kein Konsens über die effektivste einzelne Behandlungsmaßnahme, eine Kombination von Behandlungsmodalitäten wird in einigen Untersuchungen überprüft (Nakandala et al., 2021). 

Im Folgenden werden Studienergebnisse der nicht operativen Maßnahmen zusammengefasst, unter den Kategorien medikamentöse Behandlung, physiotherapeutische Behandlung und ergänzende Maßnahmen. 


5.1.Medikamentöse Behandlung 

Zu der medikamentenösen Behandlung gehören nichtsteroidale Antirheumatika (wie z.B. Ibuprofen) und Glukokortikoide (Kortison), die oral oder als Spritze verabreicht werden. Medikamente erweisen sich in Kombination mit Physiotherapie wirksamer als die Anwendung der Medikamente allein (Chan et al., 2017). Kortisonspritzen zeigen sich als besonders wirksam in der Anfangsphase bezogen auf die Schmerzen, sie zeigen keinen positiven Effekt auf die Verbesserung der Beweglichkeit (Jain & Sharma, 2014, Challoumas et al. 2020). 


5.2. Physiotherapeutische Behandlung 

Physiotherapie allgemein zeigt in vielen Untersuchungen positive Effekte bezogen auf die Schmerzlinderung und auf die Wiederherstellung der funktionellen Beweglichkeit (Chan et al., 2017, Nakandala et al., 2021, Russell et al., 2014, Jain & Sharma, 2014). Thang et al. (2019) können in ihrer Untersuchung zusätzlich zur Wirksamkeit von Physiotherapie auch die Sicherheit der physiotherapeutischen Maßnahmen bei Frozen Shoulder belegen.

Eine stadiengerechte Behandlung zur Verkürzung des meist selbstlimitierenden Verlaufs und die Aufklärung über den natürlichen Verlauf der Erkrankung erwies sich als effektiv (Chan et al., 2017, Cavalleri et al., 2020). Chan et al. (2017) beschrieben außerdem einzelne physiotherapeutische Empfehlungen für das jeweilige Stadium. Im Stadium eins, in welchem Schmerzen im Vordergrund stehen können sanfte Dehnungsübungen durchgeführt werden. Sie sollten nicht länger als 1-5 Sekunden andauern und die Schmerzgrenze des Patienten nicht überschreiten. In den Stadien zwei und drei können Übungen mit folgenden Zielen ergänzt werden: Erhaltung der Muskelkraft beispielsweise der schulterblattumgebenden Muskulatur und Außenrotatoren und Dehnung der hinteren Kapsel. In der letzten Phase kehrt die Beweglichkeit des Patienten allmählich zurück. Sowohl die Dehnungs- als auch die Kräftigungsübungen können bezüglich der Intensität gesteigert werden. Kräftigung kann beispielsweise mit dem eigenen Körpergewicht, Theraband oder Kurzhantel durchgeführt werden (Chan et al., 2017, Nakandala et al., 2021). Übungsbeispiele findet ihr weiter unten im Beitrag. 

Die Verbesserung der Beweglichkeit und Funktion durch Mobilisationsprogramme vor allem in den Endbereichen der Beweglichkeit, durch Kräftigung verschiedener Muskelgruppen und durch yogaähnliche Übungen wurden in einigen weiteren Untersuchungen dringend empfohlen und führten teilweise zusätzlich zur Schmerzlinderung (Nakandala et al., 2021, Cavalleri et al., 2020, Jain & Sharma, 2014). Entgegen einiger Annahmen gibt es für die manuelle Muskellockerung nur leichte Hinweise auf Schmerzlinderung und Verbesserung des Bewegungsumfangs (Nakandala et al., 2021).  Passive Bewegungen werden zur kurzfristigen Schmerzlinderung empfohlen, aber nicht zur Verbesserung der Beweglichkeit (Jain & Sharma, 2014).

5.3. Ergänzende Maßnahmen

In anschließender Tabelle werden die ergänzenden Maßnahmen und deren Effekte dargestellt.

Bei der Beurteilung der Tabelle ist festzustellen, dass Elektrotherapie oder Stoßwellentherapie alleine ohne z.B. Kräftigung wahrscheinlich keine positiven Effekte mit sich bringt (Nakandala et al., 2021). Beziehungsweise der von Jain & Sharma (2014) herausgefundene Effekt der Schmerzlinderung nicht lange anhält (bis zu 8 Wochen). Die Elektrotherapie an sich wird nicht dringend, sondern maximal moderat empfohlen. Sie kann positive Effekte mit sich bringen, dies ist allerdings nicht eindeutig belegt. Bei Ultraschall kommen Untersuchungen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es sowohl in Kombination als auch alleine keinen zusätzlichen Nutzen bringt. 

In den meisten Fällen führt eine konservative Behandlung zur Besserung. Bleibt eine symptomatische Besserung vollständig aus, kann darüber nachgedacht werden, einen chirurgischen Eingriff vorzunehmen. In diesem Fall wird die Kapselverdickung arthroskopisch abgetragen (arthroskopische Arthrolyse mit Kapsulotomie). Die Entscheidung ist mit medizinischem Fachpersonal gut abzuwägen, da die Ursache der Erkrankung durch die Operation nicht behoben wird und ein Wiederkehren der Verdickung durch noch vorhandene Entzündungsprozesse möglich ist (Cho et al., 2019, Katthagen et al., 2012). 

6. Was ist für dich wichtig?

Besonders wichtig für dich ist das Verständnis über den natürlichen Verlauf der Erkrankung, über den dich dein medizinisches Personal informieren sollte. Bei deinen Übungen ist es wichtig die aktuelle Reaktivität (Reaktion auf Reize) deiner Schulter zu berücksichtigen anhand der 24-Stunden-Regel. Ist der Reiz zu hoch können sich Symptome während der nächsten 24-Stunden verschlechtern und du solltest die Intensität beim nächsten Mal reduzieren. Ist der Reiz adäquat, bemerkst du keine negative Reaktion in den 24-Stunden und du kannst je nach Plan und Ziel die Intensität langsam steigern. Dein Therapeut ist dafür zuständig die Belastung zu steuern, die Balance zwischen Alltagsbelastungen, Übungen und Belastbarkeit und Reaktivität zu finden und diesen Prozess regelmäßig zu evaluieren (Vermeulen et al. 2017).

Zwei Übungsbeispiele für die Anfangsphase:

Zwei Übungsbeispiele für die mittlere Phase:

Zwei Übungsbeispiele für die Endphase:

Die Übungen stellen Möglichkeiten für die Therapie dar, im Einzelfall ist immer individuell, patientenorientiert zu entscheiden wie die Therapie gestaltet wird.

 

7. Take-Home-Massage 

Verzweifle nicht an den typischen Symptomen der Frozen Shoulder. Versuche geduldig zu sein, die verschiedenen Phasen der Erkrankung zu kennen und für dich passende Übungen für die Beweglichkeit und Kräftigung der Schulter durchzuführen. Wir unterstützen dich gerne bei dem Prozess, mit einem auf auf deine Symptome und dein Stadium angepassten Übungsprogramm, welches sich zusätzlich an deinen Zielen und für dich wichtigen Aktivitäten im Alltag orientiert.

Quellenangaben:
  1. Chan, H., Pua, P. & How, C. (2017). Physical therapy in the management of frozen shoulder. Singapore Medical Journal, 58(12), 685–689. https://doi.org/10.11622/smedj.2017107

  2. Cavalleri, E., Servadio, A., Berardi, A., Tofani, M. & Galeoto, G. (2020). The Effectiveness of Physiotherapy in Idiopathic or Primary Frozen Shoulder: a Systematic Review and Meta-Analysis. Muscle Ligaments and Tendons Journal, 10(01), 24. https://doi.org/10.32098/mltj.01.2020.04

  3. Challoumas, D., Biddle, M., McLean, M. & Millar, N. L. (2020). Comparison of Treatments for Frozen Shoulder. JAMA Network Open, 3(12), e2029581. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2020.29581

  4. Cho, C. H., Bae, K. C. & Kim, D. H. (2019). Treatment Strategy for Frozen Shoulder. Clinics in Orthopedic Surgery, 11(3), 249. https://doi.org/10.4055/cios.2019.11.3.249

  5. Jain, T. K. & Sharma, N. K. (2014). The effectiveness of physiotherapeutic interventions in treatment of frozen shoulder/adhesive capsulitis: A systematic review. Journal of Back and Musculoskeletal Rehabilitation, 27(3), 247–273. https://doi.org/10.3233/bmr-130443

  6. Katthagen, J., Jensen, G., Voigt, C. & Lill, H. (2012). Schultersteife. Der Unfallchirurg, 115(6), 527–540. https://doi.org/10.1007/s00113-012-2234-8

  7. Nakandala, P., Nanayakkara, I., Wadugodapitiya, S. & Gawarammana, I. (2021). The efficacy of physiotherapy interventions in the treatment of adhesive capsulitis: A systematic review. Journal of Back and Musculoskeletal Rehabilitation, 34(2), 195–205. https://doi.org/10.3233/bmr-200186

  8. Russell, S., Jariwala, A., Conlon, R., Selfe, J., Richards, J. & Walton, M. (2014). A blinded, randomized, controlled trial assessing conservative management strategies for frozen shoulder. Journal of Shoulder and Elbow Surgery, 23(4), 500–507. https://doi.org/10.1016/j.jse.2013.12.026

  9. Tang, H. Y., Wei, W., Yu, T. & Zhao, Y. (2019). Physical therapy for the treatment of frozen shoulder. Medicine, 98(32), e16784. https://doi.org/10.1097/md.0000000000016784

  10. Vermeulen HM, Schuitemaker R, Hekman KMC, Burg DH van der, Struyf F. De SNN Praktijkrichtlijn Frozen Shoulder voor fysiotherapeuten 2017. Schoudernetwerken Nederland, maart 2017: http://www.schoudernetwerk.nl/page/richtlijn-frozen-shoulder-2017

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