
Laufen ist eine der Sportarten, die weltweit am meisten betrieben wird. Sowohl die Anzahl an Freizeitläufern als auch die gelaufenen Distanzen stiegen in den letzten Jahren rasant an. Obwohl Laufen viele generelle Vorteile für die allgemeine Gesundheit liefert, werden vor allem Anfänger und Freizeitläufer häufig von Laufverletzungen heimgesucht. Etwa 30 bis 70 % aller Läufer verletzen sich mindestens einmal pro Jahr (abhängig davon, wie man Verletzungen misst). Hierbei ist die untere Extremität bei weitem die meist betroffene Extremität. Das Schienbeinkantensyndrom (auch bekannt als mediales tibiales Stresssyndrom) ist dabei mit einer Häufigkeit von 13,2 bis 17,3% die häufigste Laufverletzung der unteren Extremität (Menendez et al. 2020). Wichtige Infos zu diesem Thema und wie man es positiv beeinflussen kann, haben wir dir hier zusammengefasst.
1. Was ist das Schienbeinkantensyndrom und was sind die Symptome?
Als Schienbeinkantensyndrom wird eine Verletzung der unteren Extremität bezeichnet, die klassisch durch Überlastung eintritt. Sie betrifft meist Läufer, allerdings sind auch Fälle in Sportarten mit exzessivem Springen (z.B. Volleyball oder Basketball) bekannt. Hierbei entstehen wiederkehrende Schmerzen durch sich wiederholende Bewegungen, welche sich durch Belastung verschlimmern und durch Pause weniger werden. Üblicherweise lassen sich die Schmerzen an der mittleren und/oder hinteren Kante des Schienbeins lokalisieren, was dem Schienbeinkantensyndrom seinen Namen verleiht (Mubarak et al. 1982). Da es sich um ein sogenanntes Syndrom handelt, also einer Kombination aus mehreren Symptomen, soll im folgenden erläutert werden, was alles dazu beitragen kann, Schmerzen an der vorderen Schienbeinkante zu entwickeln.
2. Was ist die Ursache dafür?
Über die Ursache eines Schienbeinkantensyndroms herrscht in der aktuellen medizinischen Forschung Uneinigkeit. Die exakte Ursache scheint noch nicht vollständig geklärt zu sein. Die geläufigste Theorie besagt, dass durch permanenten Muskelzug an der Knochenhaut eine Entzündungsreaktion hervorgerufen wird. (Reshef und Guelich 2012). Das Risiko für die Entwicklung eines Schienbeinkantensyndroms scheint bei Freizeitläufern deutlich höher als bei Profisportlern, wobei hiermit Freizeitläufer mit einer Lauferfahrung von mehr als 3 Monaten gemeint sind. (Menendez et al. 2020) . Allerdings gibt es einige Risikofaktoren, die statistisch nachgewiesen das Risiko zur Entwicklung eines Schienbeinkantensyndroms erhöhen. Hierbei wird in intrinsische (den Körper und seine Anatomie betreffend) und extrinsische (umweltbezogene) Faktoren unterschieden. Laufmechanik, sowohl in der Standbein- als auch in der Schwungbeinphase, steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung eines Shin Splints.
Tabelle 1 zeigt eine Zusammenfassung aller statistisch relevanten Risikofaktoren.
aus: Menendez et al. (2020); ↑= vermehrt; ↓= verringert
3. Wie wird es diagnostiziert?
Die Diagnose eines Schienbeinkantensyndroms stellt sich aus 2 Teilen zusammen. Zum einen gilt die Anamnese als wichtiges Diagnosekriterium. Patienten berichten über zunehmende Schmerzen während des Trainings am mittleren bis unteren Ende der Schienbeinkante. Meist hält der Schmerz für Stunden bis Tage nach dem Training an. Das weitere Diagnosekriterium stellt die körperliche Untersuchung dar. Hierbei weist eine Empfindlichkeit der unteren, mittleren Schienbeinkante von mindestens 5 cm Länge auf ein Schienbeinkantensyndrom hin. Zusätzlich ist bei Betroffenen meist ein Plattfuß zu beobachten (siehe Bild).
Bildgebende Verfahren (Ultraschall, MRT) werden erst zum Ausschluss einer Differentialdiagnose empfohlen, bei Unklarheit kann jedoch mittels Computertomograph (CT) eine Stressreaktion des Knochens dargestellt werden. (Lohrer et al. 2019)
4. Feststellung der genauen Verletzungsart
Schmerzen an der Schienbeinkante können viele verschiedene Ursachen haben. Um optimal therapieren zu können, sollte vorher festgestellt werden, um welche Art von Verletzung es sich handelt. Das Schienbeinkantensyndrom gilt zu den sogenannten Trainingsinduzierten Verletzungen. Innerhalb dieser wird laut Lohrer et al. (2019) in folgende Kategorien unterteilt:
aus: Lohrer et al. (2019)
5. Was in der Therapie wichtig ist
In der Wissenschaft wurden bisher eine ganze Menge an verschiedenen Therapieoptionen wie z.B. Eisbaden, Massage, Gangschule, Stoßwelle, Pause, Stretching oder Krafttraining untersucht. Die Effektivität dieser Therapiemethoden konnte jedoch von den Autoren einer systematischen Vergleichsarbeit nicht bewiesen werden. Die folgenden Empfehlungen sollten daher mit Vorsicht interpretiert werden, da sie aus Forschungsarbeiten mit geringerer Evidenz (Aussagekraft) stammen. (Winters et al. 2019).
Als Therapieempfehlung gilt derzeit eine Kombination aus Edukation und einem progressiven Belastungsaufbau der Rumpf- und Beinmuskulatur. Diese Behandlungsoption scheint bei einer großen Mehrheit aller Betroffenen zum Behandlungserfolg zu führen. (Menendez et al. 2020). Zu Beginn der Therapie empfehlen Winters und Kollegen (2019) eine Absprache mit Betroffenen bezüglich Ihrer Erwartungen. Die Mehrheit an Athleten gibt sich in Bezug auf Wiederaufnahme des Lauftrainings oft zu optimistisch. Studien zeigen, dass es durchschnittlich 90 Tage dauert, um mit minimalem Schmerz bei mittlerer Intensität für 20 Minuten laufen zu können. (Moen et al. 2014). Viele Läufer wollen zu viel zu schnell, wodurch das Risiko einer erneuten Verletzung erheblich steigt. Allerdings ist das präferierte Leistungsniveau der meisten Athleten deutlich höher. Hierfür ist eine gesamte Dauer von 9-12 Monaten an Rehabilitationszeit eine deutlich realistischere Angabe. (Winters et al. 2019).
Ein weiterer äußerst wichtiger Punkt stellt die Edukation des Patienten/ der Patientin dar. Die Aufklärung über unterschiedliche Ausprägungen und Beschwerden des Schienbeinkantensyndroms sollte ebenfalls eine übergeordnete Rolle spielen. Hierbei ist vor allem das Belastungsmanagement zu nennen. Vor allem das Verhältnis von Belastung und Belastungskapazität (maximale Belastung, die auf ein biologisches System über eine längere Zeit einwirken kann, ohne zu Funktionsverlusten zu führen) muss Betroffenen beigebracht werden. Es besteht ein relativ hohes Risiko, dass sich die Beschwerden des Schienbeinkantensyndroms verschlimmern oder wieder auftreten, sobald das Verhältnis aus Belastung und Belastungskapazität nicht mehr ausgeglichen ist. (Winters et al. 2019). Damstedt et al. empfehlen in ihrer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018, dass ein Anstieg des wöchentlichen Trainingsvolumens (wöchentliche Laufdistanz und Gewicht aller Sätze x Wiederholungsanzahl) von 30% durchführbar ist. (Damstedt et al. 2018. Allerdings sollte man sich hierbei am Leistungsniveau des Athleten orientieren. Für Athleten mit geringerem Leistungsniveau empfiehlt Winters eine wöchentliche Steigerung von 10%. (Winters et al. 2019). Um Dein wöchentliches Trainingsvolumen zu bestimmen, können verschiedene Trainingsapps hilfreich sein. Außerdem liefern sowohl eine Einlagenversorgung als auch Stoßwellentherapie erste vielversprechende Ergebnisse, müssen jedoch noch durch weitere Forschung validiert werden. (Menendez et al. 2020)
Neben der Konservativen gibt es auch eine operative Therapiemethode. Hierbei wird meist ein sogenannter Faszienrelease vollzogen. Diese Methode wird allerdings nur bei unzureichendem Ergebnis der konservativen Therapie empfohlen. (Lohrer et al. 2019)
6. Effektive Übungen
7. Fazit
Das Schienbeinkantensyndrom kann durch Anamnese und Untersuchung relativ genau diagnostiziert werden. Bildgebende Verfahren sind in der Regel nicht notwendig. Die Therapie erfolgt in den meisten Fällen konservativ. Inhaltlich sind ein progressives Belastungsprogramm und die Aufklärung über die Erkrankung von Wichtigkeit. Viele Athleten wollen zu schnell wieder in den Laufsport einsteigen, was jedoch das Risiko einer erneuten Verletzung deutlich erhöht. Gerade deshalb ist es nicht nur für Freizeitläufer sinnvoll, das Belastungsprogramm und die Planung des Rehaprogrammes von Experten durchführen zu lassen. Im Rahmen eines Schienbeinkantensyndroms “durch Schmerzen durchlaufen“ ist ebenfalls eine schlechte und gefährliche Strategie, da die Gefahr eines sogenannten funktionellen Kompartmentsyndroms besteht. Hierbei kann es durch steigende Drücke innerhalb der Muskelfaszie zur schweren Verletzungen der Muskulatur und/ oder der Nerven kommen.
Bei Fragen hierzu oder wenn du Unterstützung in der Therapie benötigst, komme gerne auf uns zu.
Dein Physio-Team aus der Karlsruher Oststadt.
Unsere weiteren Blog-Artikel
Damsted, Camma, Simone Glad, Rasmus Oestergaard Nielsen, Henrik Sørensen, und Laurent Malisoux. „IS THERE EVIDENCE FOR AN ASSOCIATION BETWEEN CHANGES IN TRAINING LOAD AND RUNNING-RELATED INJURIES? A SYSTEMATIC REVIEW“. International Journal of Sports Physical Therapy 13, Nr. 6 (Dezember 2018): 931–42. https://doi.org/10.26603/ijspt20180931.
Lohrer, Heinz, Nikolaos Malliaropoulos, Vasileios Korakakis, und Nat Padhiar. „Exercise-Induced Leg Pain in Athletes: Diagnostic, Assessment, and Management Strategies“. The Physician and Sportsmedicine 47, Nr. 1 (2. Januar 2019): 47–59. https://doi.org/10.1080/00913847.2018.1537861.
Menéndez, Claudia, Lucía Batalla, Alba Prieto, Miguel Ángel Rodríguez, Irene Crespo, und Hugo Olmedillas. „Medial Tibial Stress Syndrome in Novice and Recreational Runners: A Systematic Review“. International Journal of Environmental Research and Public Health 17, Nr. 20 (13. Oktober 2020): 7457. https://doi.org/10.3390/ijerph17207457.
Moen, M. H., S. L. Schmikli, A. Weir, V. Steeneken, G. Stapper, R. de Slegte, J. L. Tol, und F. J. G. Backx. „A Prospective Study on MRI Findings and Prognostic Factors in Athletes with MTSS: MRI Findings and Prognostic Factors in Athletes with MTSS“. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports 24, Nr. 1 (Februar 2014): 204–10. https://doi.org/10.1111/j.1600-0838.2012.01467.x.
Mubarak, Scott J., Robert N. Gould, Yu Fon Lee, Donald A. Schmidt, und Alan R. Hargens. „The Medial Tibial Stress Syndrome: A Cause of Shin Splints“. The American Journal of Sports Medicine 10, Nr. 4 (Juli 1982): 201–5. https://doi.org/10.1177/036354658201000402.
Reshef, Noam, und David R. Guelich. „Medial Tibial Stress Syndrome“. Clinics in Sports Medicine 31, Nr. 2 (April 2012): 273–90. https://doi.org/10.1016/j.csm.2011.09.008.
Vtasalo, Jukka T., und Martti Kvist. „Some Biomechanical Aspects of the Foot and Ankle in Athletes with and without Shin Splints“. The American Journal of Sports Medicine 11, Nr. 3 (Mai 1983): 125–30. https://doi.org/10.1177/036354658301100304.
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