Müssen deine Beine gleich lang sein?

Einleitung

In der Praxis begegnen wir häufig Patienten, die eine Beinlängendifferenz für ihre Beschwerden verantwortlich machen. Dieser Artikel beleuchtet, ob eine Beinlängendifferenz wirklich Ursache von Beschwerden sein kann und wie man sie diagnostiziert, einordnet und behandelt.

Hintergrund

Seit 1946 wird die Beinlängendifferenz wissenschaftlich untersucht, doch es bestehen weiterhin unterschiedliche Meinungen darüber. Viele Patienten glauben, dass ihre Beschwerden auf eine Beinlängendifferenz zurückzuführen sind, was zu Angst und Unsicherheit führen kann.

Diagnose der Beinlängendifferenz

Eine Studie von 1975 zeigt, dass die klinische Beurteilung der Beinlängendifferenz unzuverlässig ist und nur durch Röntgenaufnahmen verlässlich gemessen werden kann. Dennoch wird die klinische Untersuchung weiterhin eingesetzt, oft ohne die Patienten über deren Unsicherheiten aufzuklären. Dabei kommen Manöver wie das Weber-Barstow-Manöver zum Einsatz, bei dem funktionelle Unterschiede erkannt werden sollen.

Einteilung der Beinlängendifferenz

Man unterscheidet zwischen funktionellen und anatomischen Beinlängendifferenzen. Die anatomische, „echte“ Differenz beruht auf Längenunterschieden der Knochen, während die funktionelle auf Gelenkfehlstellungen und Muskelkontrakturen zurückgeführt wird, was wissenschaftlich umstritten ist. Zudem gibt es angeborene Differenzen, beispielsweise durch Hüftdysplasie, und erworbene Differenzen, etwa nach Traumata oder Operationen.

Führen Beinlängendifferenzen zu Beschwerden?

Beinlängendifferenzen sind weit verbreitet und meist unbedeutend. Studien zeigen, dass die meisten Menschen asymmetrische Beine haben, jedoch selten Symptome auftreten. Eine systematische Übersicht von 2005 ergab, dass nur 10 Prozent der Erwachsenen gleiche Beinlängen aufweisen, die durchschnittliche Differenz beträgt 5,2 mm. Die meisten Beinlängendifferenzen sind klinisch nicht relevant.

Umgang in der Praxis

Bei der Arbeit mit Patienten ist es wichtig, wie die Differenz diagnostiziert wurde. Sollte ein Patient weiterhin glauben, dass seine Beinlängendifferenz die Ursache seiner Beschwerden ist, kann es helfen, ihm Studienergebnisse zu zeigen, die belegen, dass solche Unterschiede meist keine Symptome verursachen. Schmerzen sind multifaktoriell bedingt und selten allein durch anatomische Unterschiede erklärbar. Eine leichte Beckentorsion, die durch eine Beinlängendifferenz verursacht wird, steht laut Studien meist nicht in Zusammenhang mit Rückenschmerzen.

Behandlung von Beinlängendifferenzen

Gängige Behandlungsmethoden wie manuelle Techniken sind oft nicht effektiv, da sie die Position von Knochen nicht verändern können. Einlagen können bei signifikanten Unterschieden von über 2 cm helfen, die durch Trauma oder Operation entstanden sind. Ansonsten ist der menschliche Körper stark genug, kleinere Unterschiede auszugleichen.

Fazit

Beinlängendifferenzen werden oft überdiagnostiziert und überschätzt. Es ist wichtig, den Patienten als Ganzes zu betrachten, einschließlich seiner psychosozialen Faktoren, anstatt sich nur auf die Anatomie zu konzentrieren, wenn es um die Ursache von Schmerzen geht.

 

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