1. Die Geschichte des Piriformis Syndroms
Robinson (1947) führte den Begriff „Piriformis-Syndrom“ ein, um nicht Bandscheiben bezogene Ischiasbeschwerden zu beschreiben, die auf einen abnormen Zustand des Piriformis zurückzuführen sind. Dieses Syndrom wurde auch als „Kreditkarten-Ischias“, „Pseudo-Ischias“ oder „Beckenausgangssyndrom“ bezeichnet (Ogin, 1989; Jankovic et al., 2013; Lutz, 1978). Es ist jedoch als eigenständige klinisch-pathologische Entität umstritten geblieben, da es bei vielen Patienten mit nicht-diskogenen (Bandscheibe betreffend) Gesäßschmerzen keine eindeutigen Beweise für eine Schädigung des Ischiasnervs gibt und folglich Uneinigkeit darüber herrscht, ob es unter- oder überdiagnostiziert ist (Fishman, 2003; Miller, 2012; Stewart, 2003).
McCrory und Bell (1999) schlugen vor, den Begriff „Tiefes Gluteales Syndrom“ für Piriformis-Syndrom zu ersetzen, da Schmerzen in der hinteren Hüfte auf die Einklemmung des Ischias oder anderer Nerven auf verschiedene Strukturen im tiefen Gesäßbereich zurückzuführen sein könnten. Kürzlich wurden das Gemelli-Obturator-Internus-Syndrom, das ischiofemorale Impingement-Syndrom und das proximale Hamstring-Syndrom als Ursache für Ischias-ähnliche Schmerzen anerkannt und in das Konzept des tiefen glutealen Syndroms aufgenommen (Carro et al., 2016; Hernando et al., 2015; Kay et al., 2017).
Wie von McCrory und Bell beschrieben, ist das Piriformis-Syndrom nur eine Komponente des Tiefen Glutealen Syndroms, und ein breites Spektrum von Erkrankungen, die nicht mit dem Piriformis-Syndrom assoziiert sind, können ähnliche Symptome verursachen (Pombo & Bradley, 2009; Coppieters et al., 2006).
Dennoch hat es terminologische Verwirrung gegeben: Einige Autoren haben das tiefe gluteale Syndrom als Synonym für das Piriformis-Syndrom verwendet (Jankovic et al., 2013; Martin et al., 2015; Siddiq, 2018).
2. Gibt es das Piriformis Syndrom dann überhaupt?
Da die Diagnose Pirformis Syndrom durch kein Diagnoseverfahren bestätigt werden kann, würde es sich um eine Ausschlussdiagnose handeln. Es bestehen bis heute keine soliden und standardisierten Diagnosetests (Kirschner et al., 2009). In mehreren Artikeln wird das sogenannte Piriformis-Syndrom als periphere Neuritis der Äste des Ischiasnervs definiert, die durch einen anormalen Zustand des Piriformis-Muskels (PM) verursacht werden sollen, z. B. durch einen verletzten oder gereizten Muskel (Boyajian-O’Neill et al., 2008; Tonley et al., 2010). Der Ischiasnerv verläuft direkt neben dem Piriformis-Muskel, der als Außenrotator der Hüfte fungiert. Wenn also der Piriformis-Muskel gereizt oder entzündet ist, soll sich dies auch auf den Ischiasnerv auswirken, was dann zu Ischias-ähnlichen Schmerzen führt. Andere Zustände, welche diese Symptome nachahmen könnten, sind unter anderem Stenosen, Bandscheibenverletzungen oder weitere Ursachen im Beckenbereich (Siddiq 2018; Chang et al., 2022). Jedoch konnte bisher keine Einklemmung, genauer gesagt pathologische Kompression durch den Piriformis in dieser Art und Weise bestätigt werden.
Denn für ein Engpasssnydrom gelten folgende Punkte (Stewart, 2003):
Bis heute konnte keine Studie eindeutig zeigen, dass diese Faktoren bei einem “Piriformis-Syndrom” vorliegen (Tiel & Robert, 2008; Halpin et al., 2009).
3. Wo kommen die Schmerzen dann her?
Es gibt eine Vielzahl an Beschwerdebildern, die Schmerzen im Gesäßbereich mit Ischiasbeschwerden verursachen können.
Hier eine Auflistung einiger (Cass, 2015):
Eine Nervenreizung des Ischias kann wie beschrieben durch den Piriformis nicht bestätigt werden. Deshalb erscheint es treffender, wie Tobias Saueressig in seinem Artikel beschreibt, den Zustand als “nicht lokalisierbare Ischialgie” zu betiteln.
4. Wie sieht die Behandlung aus?
Tatsächlich werden dennoch chirurgische Eingriffe zur Behandlung des umstrittenen Piriformis-Syndroms durchgeführt. Jedoch steht dieses Verfahren sehr in der Kritik und stellt fast nie die Behandlung der ersten Wahl dar (Kay et al., 2017; Jackson, 2016; Cassidy et al., 2012).
Vielmehr sollte man sich wohl auf die Behandlung der Einschränkungen durch die Nervenreizung fokussieren. Hier können unter anderem neurodynamische Übungen (siehe unten) hilfreich sein. Auch Aufklärung über den Zustand und der Rat aktiv zu bleiben erscheint sinnvoll (Ferreira et al., 2016; Cleland et al., 2006; Nagrale et al., 2012).
5. Fazit
Bis heute gibt es keine valide Untersuchung, die das “Piriformis Syndrom” diagnostizieren kann. Demnach sollte der Begriff Piriformis Syndrom für nicht lokalisierbare Ischialgie ersetzt werden. Die Therapie einer Ischialgie sollte je nach Situation und Symptomatik auf die Patienten angepasst werden. So kann eine Vielzahl an Übungen, Positionen und Strategien hilfreich sein, den Verlauf der Genesung positiv zu beeinflussen. Darunter können Übungsprogramme, Anpassungen im Alltag und die Vermittlung von Kenntnis über eine Nervenreizung des Ischias die Grundlage innerhalb der physiotherapeutischen Behandlung sein.
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