
Die Schulter ist das beweglichste Gelenk im Körper, gleichzeitig muss sie auch in allen Winkeln stabil sein. Sie ist das Gelenk unseres Körpers, welches am häufigsten auskugelt. Nabian & Kollegen fand dies anhand einer 5-jährigen Untersuchung heraus. Es zeigte sich ein Vorkommen von 50,6% der Luxationen an der Schulter, gefolgt von den Fingern (10,1%), den Zehen (7,6%), der Hüfte (7,3%) und dem Ellenbogen (6,5%). Wiederverletzungen sind häufig und treten in bis zu 67% der Fälle auf.
Die Symptome können je nach Schwere unterschiedlich ausfallen und bis hin zur Einschränkung der Teilnahme an anspruchsvollen Aktivitäten oder Sport führen. Besonders Überkopfsportarten wie Tennis und Sportarten mit Gegnerkontakt wie Rugby fordern die Schulter in ihrer Funktion extrem und können dementsprechend problematisch werden (Thangarajah & Lambert, 2016).
Ziel dieses Blogbeitrages ist es, einen Überblick über das Beschwerdebild zu vermitteln, Möglichkeiten zu aktuellen Behandlungsempfehlungen und diagnostischen Maßnahmen aufzuzeigen und dir ein kleines Beispielworkout für eine stabile Schulter mitzugeben.
1. Was ist eine Schulterinstabilität und wie macht sie sich bemerkbar?
Unter einer Schulterinstabilität versteht man eine Verletzung der Weichteile oder des Knochens der Schulter, die eine Verschiebung (Subluxation) des Oberarmkopfes (Caput humeri) aus der Schultergelenkspfanne (Cavitas glenoidale) verursacht (Varacallo et al.,2021). Die Schulterinstabilität ist ein relativ häufiges Problem in der medizinischen Grundversorgung geworden, mit einem gemeldeten Vorkommen von 2,8%. Das bedeutet ein Lebenszeitrisiko von 1-3%. 72% der Schulterluxationen traten bei Männern auf. Die höchste Vorkommensrate bei männlichen Patienten ist im Alter von 16 bis 20 Jahren und bei weiblichen im Alter von 61 bis 70 Jahren zu verzeichnen (Vacallo et al. 2022). Über 95% der Instabilitätsereignisse in der Schulter treten in vorderer Richtung auf. Betroffene von Schulterinstabilitäten berichten häufig über einen schmerzhaften, schwachen Arm und Schulter, die sich bei zum Teil banalen Bewegungen leicht auskugelt (Thangarajah & Lambert, 2016).
Die meisten erstmaligen Luxationen treten bei jungen Männern auf. Bei Frauen steigt das Vorkommen bei über 50-Jährigen an, nicht aber bei Männern. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt (Shah et al., 2017). Fast ein Drittel aller Schulterverletzungen passieren im Zusammenhang mit Sport. Menschen mit Sportverletzungen sind meist jünger als diejenigen, die sich bei anderen Aktivitäten verletzten (mittleres Alter 28 bzw. 43 Jahre). Schulterverletzungen allgemein treten häufiger bei Männern auf, 52-78% (Enger et al., 2019). In einer Studie aus dem Jahr 2014 wurde berichtet, dass das Vorkommen von Schulterluxationen während einer Rugby-Saison bei etwa 15% liegen. Die Autoren stellten fest, dass bei Rugbyspielern, die in die laufende Saison eintraten und eine frühere Schulterluxation hatten, das Risiko für eine erneute Luxation um mehr als die Hälfte gestiegen ist. Bei anderen Kontaktsportarten wie Fußball wurden Inzidenzraten (Vorkommen) von bis zu 0,51 pro 1.000 Athleten festgestellt (Vacallo et al. 2022).
Im Folgenden findet ihr noch ein paar Zahlen zum Vorkommen der Schulterinstabilität in verschiedenen Gruppen – es wurden 17.000 Menschen über 20 Jahre untersucht (Shah et al., 2017).
Einige Sportarten haben ein erhöhtes Risiko wie Kontaktsportarten, beispielsweise Rugby mit einer Prävalenz (Vorkommen) von 15% während einer Saison.
Anatomischer Überblick zum Schultergelenk
Das Schultergelenk (Glenohumeralgelenk) ist ein komplexes, bewegliches Kugelgelenk, das Bewegungen in drei Ebenen (Frontal-, Transversal- und Sagittalebene) ermöglicht. Knöchern ist das Gelenk durch die kleine Gelenkpfanne (Cavitas glenoidalis) gebildet, welche den Gelenkkopf (Caput humeri) nicht vollständig umschließt. Aufgrund dieser anatomischen Gegebenheit ist das Gelenk knöchern kaum gesichert. Dazu kommt, dass die Cavitas glenoidalis nach der Schwerkraft ausgerichtet ist.
Auch der Bandapparat ist in Relation zu der Beanspruchung schwach ausgebildet und die Gelenkkapsel ist locker und schlaff. Passive Stabilität gewährleistet daher zum größten Teil die Gelenklippe (Labrum glenoidale), welches als Knorpelring die Gelenkfläche der Gelenkpfanne vergrößert. Daraus folgt, dass das Schultergelenk kaum passiv gesichert wird und daher auf die aktiven Stabilisatoren angewiesen ist. Im Gegenzug dazu gewährleistet die geringe passive Sicherung eine große Bewegungsfreiheit des Gelenks (Rehart & Kapandji, 2016, Varcallo et al., 2021).
2. Wie wird eine Schulter instabil?
Die Instabilität der Schulter umfasst ein Spektrum von Erkrankungen, das von einer Subluxation bis zu einer Luxation reicht und typischerweise mit Aufprallsportlern wie Ringern und Fußballspielern in Verbindung gebracht wird. Genaue Erklärungen zum Unterschied zwischen einer Luxation und Subluxation findest du in Kapitel 3. Eine Instabilität kann jedoch auch das Ergebnis eines wiederholten Mikrotraumas sein, wie es bei Überkopfsportlern (Baseball, Tennis, Volleyball, Schwimmen) auftritt. Die Instabilität kann sich subtil äußern ohne ein akutes traumatisches Ereignis und muss dich im Alltag oder deinem Sport nicht immer einschränken (DeFroda et al., 2018).
Man unterscheidet die traumatische und die nicht-traumatische (habituelle = angeborene) Schulterinstabilität. Wenn ein Schultergelenk durch äußere Krafteinwirkung auskugelt, nennt man das traumatische Luxation (Auskugeln). Häufig ist ein Unfall die Ursache. Dabei kommt es zur Verletzung der passiven Strukturen der Schulter, welche für die Stabilität verantwortlich sind. Es kommt zur Dehnung, einem Teilriss oder Riss (Lösen) der Strukturen. Die Strukturen können heilen, je nach Verletzung kann auch eine Operation notwendig sein. Die Verletzung erhöht das Risiko künftiger Episoden von Instabilität und weiterer Schäden an diesen Strukturen (Thangarajah & Lambert, 2016). Bei der nicht- traumatischen (angeborenen) Schulterinstabilität sind die passiven Stabilisatoren des Schultergelenks zu schwach (lax), sodass der Oberarmkopf zu viel Spiel in allen Richtungen hat (z.B. bei Kapselbandschwäche). Dadurch kann die Schulter auch ohne große Gewalteinwirkung auskugeln oder sich leichter verschieben (Varcallo et al.,2021).
3. Einteilung der Schulterinstabilität?
Für die angemessene Therapie und Prognosebestimmung ist eine möglichst klare Definition der Instabilität notwendig.
Wichtige Definitionen nach Thangarajah & Lambert (2016):
Luxation: Vollständiger Verlust des Kontakts zwischen den Gelenkflächen, der ein Repositionsmanöver zur Wiederherstellung der normalen Anatomie erfordert. Dies kann akut (zum ersten Mal), rezidivierend (jedes nachfolgende Ereignis) oder persistent (arretiert) sein.
Subluxation: Teilweiser Verlust des Kontakts zwischen den Gelenkflächen.
Schulterinstabilität: Normale Bewegungen des Oberarmkopfes führen zu einer Subluxation oder Dislokation (Verschiebung) aus der Schultergelenkspfanne. Dies kann mit unterschiedlich starken Schmerzen verbunden sein.
Laxität (Schlaffheit) des Schultergelenks: Asymptomatische Bewegung des Oberarmkopfes auf der Schultergelenkspfanne am oberen Ende des normalen Bereiches.
Posttraumatische Schulterinstabilität Einteilung und Definitionen:
Eine posttraumatische Instabilität entsteht z.B. durch eine Luxation (Auskugeln) des Armes. Entweder können die Gelenklippe (SLAP-Läsionen), Gelenkbänder und Kapsel eingerissen sein (HAGL-Läsion) oder es ist zusätzlich zu einem Knochenbruch an der Gelenkpfanne (knöcherner Bankart-Läsion) oder am Oberarmkopf (Hill-Sachs-Läsion) gekommen.
Im Folgenden werden die einzelnen Erkrankungen kurz zusammengefasst und definiert:
SLAP-Läsion: SLAP ist die Abkürzung für „Superiores Labrum (= Gelenklippe) von Anterior nach Posterior“, das bedeutet Läsionen des oberen, vorderen bis hinteren Labrums (SLAP). Sie treten vor allem bei jungen Menschen zwischen 20-30 Jahren und bei Erwachsenen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren auf. In der ersten Gruppe treten sie hauptsächlich nach einem Trauma auf, während sie in der zweiten Gruppe die Veränderung auf degenerative (altersbedingte) Ursachen zurückzuführen sind. Diese hängen häufig mit repetitiven (wiederholten) Bewegungen der Schulter über dem Kopf zusammen (Ferreira, 2021).
SLAP-Läsionen wurden ursprünglich von Snyder beschrieben und klassifiziert:
HAGL-Läsion: Ist die Abkürzung für „Humeral Avulsion of the Glenohumeral Ligament“, ein Band welches die Schulter stabilisiert. Unter der Verletzung versteht man die Läsion (Riss) des unteren glenohumeralen (Schulter) Bandes auf der Oberarmseite. Das Band stabilisiert die Schulterkapsel und ist mit ihr verwachsen.
Bankard-Läsion: Es handelt es sich um den Abriss der Gelenklippe (Labrum) im Bereich des vorderen Gelenkpfannenrandes. Häufig in Folge einer Schulterluxation (für weitere Einteilung siehe SLAP Läsion).
Hill-Sachs-Läsion: Hierbei findet eine knöcherne Verletzung des Oberarmkopfes statt. Sie entsteht ebenfalls im Rahmen einer Schulterluxation, häufig beim Zurückschnellen des Kopfes beim Einkugeln (Varcallo et al., 2021).
Welche Verletzung tritt am häufigsten auf? SLAP-Läsionen des Typs II und III sind die Häufigsten. In einer Studie über 2.375 Schulterarthroskopien wurden 140 SLAP-Läsionen diagnostiziert. Davon waren 21% Typ-I-Läsionen, welche nicht immer klinisch relevant (d.h. keine resultierenden Einschränkungen) sind, 55% Typ II, 9% Typ III, 10% Typ IV und 5% Läsionen, die als komplex bezeichnet werden. Typ VIII- und IX-Läsionen sind dagegen besonders selten, und ihre Häufigkeit wurde in der Literatur nicht beschrieben (Ferreira, 2021).
4. Wie wird die Instabilität diagnostiziert?
Durch eine Untersuchung erhält der Kliniker Hinweise auf Vorhandensein, Ausmaß und Richtung der Schulterinstabilität. Es wurden mehrere Klassifizierungssysteme für Instabilitäten entwickelt, um Kliniker Aufschluss über den natürlichen Verlauf, die Prognose und Behandlungsempfehlungen zu geben. Die wichtigsten erachteten Merkmale sind: Häufigkeit, Entstehung, Richtung und Schweregrad. Im Folgenden wird die FEDS-Klassifikation für Instabilität vorgestellt (Kuhn, 2010).
Häufigkeit: Sie ist ein indirektes Maß für den Schweregrad der Pathologie und hilft bei der Festlegung des Vorgehens gegenüber dem Patienten. Aufgrund des saisonalen Charakters des Sports, werden die Anzahl der Episoden im Verlauf eines Jahres erfragt. Es können drei Stufen ermittelt werden.
Solitär = eine Episode. Es ist wahrscheinlich, dass viele Patienten mit einer Episode nicht operativ behandelt werden.
Gelegentlich = zwei bis fünf Episoden. Der Patient mit einigen wenigen Episoden kann eine ganz andere Art von Instabilität aufweisen als der Patient mit mehr als fünf Episoden pro Jahr, der als häufig bezeichnet werden würde. Häufig = mehr als fünf Episoden.
Richtung: In der Anamnese wird die Wahrnehmung der Instabilität durch den Patienten erfragt. Die Patienten können die Richtung ihrer Instabilität angeben oder sie können sagen welche Armhaltung ihre Symptome reproduziert: Hand hinter dem Kopf für anterior (vorne), Tragen einer Aktentasche für inferior (unten), Drücken auf etwas vor dem Körper für posterior (hinten). Ansonsten kann die Richtung durch Provokationstests ermittelt werden.
Schweregrad: Dieser ist ein weiteres Kriterium, welches sich aus der Anamnese ergibt. Die Patienten können Subluxationen oder Luxationen haben. Es kann schwierig sein zwischen diesen beiden zu unterscheiden, aber im Allgemeinen führen Subluxationen zu einer automatischen Wiedereinrenkung, während dies bei Luxationen nicht der Fall ist. Daher lautet die Frage an den Patienten: „Haben Sie jemals Hilfe gebraucht, um Ihre Schulter wieder einzurenken?“. Sie dient als Unterscheidungsmerkmal, denn die Schwere der Verletzung kann helfen, einen Einblick in die Pathologie zu gewinnen.
Das FEDS-Klassifikationssystem ist in hohem Maße von der Anamnese und damit von der Wahrnehmung der Erkrankung durch den Patienten abhängig. Es zeigt die Wichtigkeit der Erfragung einiger Faktoren beim Patienten zur Ermittlung der Pathologie (Kuhn, 2010).
Nach stattgefundener Anamnese und körperlicher Untersuchung können apparative Verfahren ebenfalls Aufschluss über die Schwere der Instabilität geben. Dreidimensionale CTs werden beispielweise verwendet, um den Labrumdefekt zu bestimmen. Mit einem Röntgenbild können knöcherne Verletzungen an Oberarmkopf und Gelenkpfanne diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Um auch Schädigungen an Gelenkkapsel und Bändern zu erkennen, muss in vielen Fällen eine Kernspintomographie an der Schulter durchgeführt werden (Varacallo et al., 2021).
5. Sind Veränderungen der Schulter allgemein pathologisch?
Wir wissen, dass viele Patienten Symptome (insbesondere Schmerzen) haben können, ohne dass eine Instabilität vorliegt. Wir wissen auch, dass eine Laxität bei vielen Patienten ohne Symptome besteht und dass einige Patienten ihre Schultern ohne Symptome subluxieren können. Daher müssen die beiden Merkmale Schmerzen und Instabilität vorhanden sein, um eine Schulterinstabilität zu definieren. Patienten müssen Beschwerden und ein Gefühl der Lockerheit, des Rutschens oder des „Herausgehens“ der Schulter haben, um die Definition von Instabilität zu erfüllen. Des Weiteren haben manche Sportler das Gefühl, dass ihre Schulter locker ist, ohne dass eine spezifische Verletzung vorliegt. Diese Gruppe würde unter die atraumatische Gruppe fallen. Die instabile Schulter alleine stellt also keine Pathologie (Krankheit) dar, sondern es müssen auch Schmerzen vorliegen, um sie als solche zu definieren (Kuhn, 2010).
6. Wie behandle ich es?
Die Erstversorgung der Schulterinstabilität hängt von vielen Faktoren ab. Der optimale Ansatz und die Technik zur Behandlung der vorderen Schulterinstabilität sind nach wie vor umstritten. Falls eine Luxation vorliegt, sollte die Schulter zunächst repositioniert (eingerenkt) werden. Der Zeitraum für die anschließende Ruhigstellung bleibt in der Literatur umstritten. Bei der Verletzung am Spielfeldrand sollte die Schulter anhand einer Schlinge zunächst ruhiggestellt werden. Nach der anfänglichen Ruhigstellung wird in der konservativen Therapie mit dem Physiotherapeuten an der Beweglichkeit und Kraft der Schulter gearbeitet.
Eine Operation kann je nach Begleitverletzungen in Erwägung gezogen werden. Sie kann minimalinvasiv oder als offene Operation durchgeführt werden. Die Trainingstherapie mit intensiver Kräftigung beginnt meist etwa nach 10-12 Wochen. Davor stehen innerhalb der Physiotherapie Beweglichkeit und Training der umliegenden Gelenke im Vordergrund. Wann du wieder in die Spielsportart zurückkehren kannst, hängt von der Komplexität der Verletzung, der Funktion und der Sportart ab und kann zwischen 3 und 6 Monaten variieren (mehr dazu findest du in unseren Blogbeiträgen „Werferschulter“ und „Wann darf ich nach einer Schulterverletzung wieder Sport machen?“). Im Allgemeinen wird in der Literatur empfohlen, frühestens nach 3 Monaten wieder mit dem Sport zu beginnen, wobei die Rückkehr zu Kontaktsportarten mit hoher Belastung (z. B. Rugby, Fußball) etwa nach 6 Monaten postoperativ erfolgen sollte (Varacallo et al.,2021).
Bei der nicht-traumatischen (angeborenen) Schulterinstabilität steht das Training aktiver Stabilisatoren der Schulter im Vordergrund. Die Behandlungsempfehlung richtet sich auch hier vor allem nach Einschränkung, Funktion und Schwere.
Außerdem benötigen Athleten, bei denen eine Instabilität auftritt, unabhängig von der Versorgung eine Rehabilitation (einschließlich der Stärkung des Schultergelenks), um die Kraft der umgebenden Muskulatur zu maximieren und die Funktion zu verbessern. Insbesondere für den Wiedereinstieg in den Sport sind beispielsweise sportartspezifische Wurf- oder Gegenerkontaktprogramme relevant (DeFroda et al., 2018).
In einer Studie aus dem Jahr 2017 wurde berichtet, dass die durchschnittliche Zeit bis zur Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer arthroskopischen Bankart-Reparatur 2 Monate beträgt, wobei die Rückkehr bereits 1 bis 4 Wochen nach der Operation möglich ist und bis zu 10 Monate nach der Operation dauern kann (Varacallo et al.,2021).
7. Muss ich operiert werden oder nicht?
Im Allgemeinen können die Patienten von ihren Ärzten über das Rezidivrisiko nach nicht-operativer und operativer Behandlung aufgeklärt werden. Außerdem hängt die Prognose von einer Vielzahl von Faktoren ab.
Im Jahr 2007 wurde der Instability Severity Index Score (ISIS) ursprünglich beschrieben, um Chirurgen eine Orientierungshilfe bei der Entscheidung zwischen offener und arthroskopischer Behandlung von Schulterinstabilitäten zu geben. In einer Studie aus dem Jahr 2019 wurde der ISIS zur Bewertung des Risikos einer erneuten Luxation nach arthroskopischen Bankart-Operationen validiert.
Zu den Risikofaktoren, die mit einem Wiederauftreten der Instabilität assoziiert sind, gehören:
Das ISIS ist ein 10-Punkte-Scoring-System, das auf diesen Parametern basiert. Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass im Allgemeinen weniger der oben genannten Risikofaktoren zu den folgenden 5-Jahres-Gesamterfolgsraten führen (d. h. kein Wiederauftreten der Instabilität).
(Varacallo et al.,2021)
In der Vergangenheit korrelierten offene Schulterstabilisierungsverfahren mit einer geringeren Rezidivrate als arthroskopische Verfahren. Bei arthroskopischen Bankart-Eingriffen wurden Rezidivraten von 4% bis 67% festgestellt, je nach Komplexität der Pathologie der Schulterinstabilität im Einzelfall. Burkhart und De Beer (2000) berichteten über die Ergebnisse nach arthroskopischer Bankart-Reparatur. Ohne signifikante knöcherne Defekte 4% und mit signifikanten knöchernen Defekten 67%. „Signifikant“ ist definiert als entweder eine eingreifende Hill-Sachs-Läsion oder eine bestimmte Glenoidläsionen. In einer Datenbankstudie aus dem Jahr 2017 (2008-2012) wurde kein Unterschied zwischen den Raten von Revisionseingriffen nach offenen und arthroskopischen Bankart-Eingriffen festgestellt (Varacallo et al.,2021).
8. Wie ist die Wahrscheinlichkeit für eine Schulterluxationen nach OP?
Die Hauptkomplikation der vorderen Schulterstabilisierung ist die wiederkehrende Instabilität (Varacallo et al.,2021). Eine wiederkehrende Instabilität kann nach einer nicht-operativen oder operativen Behandlung auftreten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass fast 90% der Kontaktsportler und bis zu zwei Drittel der Nicht-Kontaktsportler mit signifikantem Knochenverlust des Glenoids (äußere Gelenkpfanne) letztendlich nicht operativ stabilisiert werden können, weil eine Bankart-Läsion oder eine abnorme Form des Glenoids vorliegt, die die gesamte Biomechanik des Schultergelenks beeinträchtigt (Burkhart & de Beer, 2000). Im nächsten Punkt werden einige Risikofaktoren aufgezeigt, die eine Instabilität begünstigen. Es scheint unabhängig von Operation oder konservativer Behandlung einige Faktoren zu geben, die das Rezidivrisiko erhöhen können.
9. Was begünstigt eine Schulterinstabilität?
Nach einer erstmaligen anterioren traumatischen Schulterluxation kommt es in über 26% der Fällen zu einer erneuten Instabilität. Daher ist es relevant Risikofaktoren, die das begünstigen, zu kennen. Einige sind beeinflussbar, andere wie beispielsweise das Alter nicht (M. Olds, Ellis, et al., 2015). In der Literatur findet man einige Untersuchungen zu Faktoren, welche die Wahrscheinlichkeit einer Schulterluxation oder -instabilität erhöhen.
Ist die Schulterinstabilität nicht traumatisch, tritt sie meist schon im Kindesalter auf. Die Skelettreife, Veränderungen an der Gelenklippe (Labrum glenoidale) und der Gelenkkapsel können die Instabilität beeinflussen. Man nimmt an, dass männliche Kinder im Alter von 14 Jahren und älter das größte Risiko für eine erneute Luxation nach erstem Trauma hatten (M. Olds et al., 2015).
In einer systematischen Übersichtsarbeit von 1.324 Teilnehmern, die eine erstmalige traumatische vordere Schulterluxation erlitten hatten, beträgt die Rate der erneuten Instabilität 39%. Ein erhöhtes Risiko für eine erneute Instabilität wurde bei Personen im Alter von bis zu 40 Jahren, bei Männern und bei Personen mit Hyperlaxität (Überbeweglichkeit) festgestellt. Ein geringeres Risiko für eine erneute Instabilität wurde bei Personen mit einer Fraktur (Bruch) des Tuberculum majus (Teil des Oberarmknochens) festgestellt. Die Rate der wiederkehrenden Instabilität nahm mit zunehmender Zeit nach der ersten Luxation ab. Es wird angenommen, dass Faktoren wie eine knöcherne Bankart-Läsion, eine Nervenlähmung und der Beruf ebenfalls die Rate der wiederkehrenden Instabilität beeinflussen (M. Olds, Ellis, et al., 2015).
Nach einer ersten traumatischen Schulterluxation ist das Risiko für eine Instabilität im Sinne einer erneuten Luxation erhöht. Bei 128 Teilnehmern trat dieses Phänomen bei 36% innerhalb der ersten 12 Monate auf.
Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer erneuten Luxation zeigte sich bei folgenden Faktoren:
Es gab keine Unterschiede zu dominantem und nicht dominantem Arm oder zwischen jüngeren und älteren Teilnehmern (Olds et al., 2019).
10. Workout
Die Physiotherapie bei einer vorhandenen Schulterinstabilität ist individuell und hängt von einigen Faktoren ab. Das folgende Workout dient zur allgemeinen Kräftigung der Schulter und kann für manche Menschen mit Schulterinstabilität zu einem gewissen Zeitpunkt genau richtig sein, aber ist kein pauschal auf dich abgestimmtes Programm. Hast du das Ziel der Kräftigung der Schultermuskulatur und befindest dich nicht mehr in der Akutphase, dann probiere es gerne mit auf dich angepasster Wiederholungszahl und Gewicht aus.
11. Fazit
Instabilitäten in der Schulter treten häufig bei jungen Sportlern auf. Da sich Schulterinstabilitäten sehr unterschiedlich einteilen lassen können, umfasst die optimale Behandlung dieser Verletzungen eine individuelle, anforderungsspezifische Rehabilitation innerhalb der Physiotherapie mit progressiver Belastungssteigerung bis der Athlet zurück in seiner Sportart ist. Wir führen mit unseren Sportlerinnen und Sportlern ein vollumfängliches Krafttraining als Basis durch und lassen – vor allem gegen Ende der Reha – wenn nötig auch sportartspezifische Übungen in das Programm mit einfließen, um die Strukturen auf die jeweilige Belastungen des spezifischen Trainings/Wettkampfes so gut wie möglich vorzubereiten.
Bei Fragen zu deiner persönlichen Situation oder zur Gestaltung deiner Reha und deinem Wiedereinstieg ins Training und in Wettkämpfe, komme gerne auf uns zu.
Schau auch gerne bei unseren Blogbeiträgen „Wann darf ich nach einer Schulterverletzung wieder Sport machen?“, „Impingement“ und „Werferschulter“ rein.
Dein Physioteam aus der Karlsruher Oststadt
Unsere weiteren Blog-Artikel
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